Einige Jahre lang habe ich viel Zeit in Singapur verbracht. Die
vielen und neuen Eindrücke dort habe ich in einem Tagebuch festgehalten und mit
meiner Familie und den Freunden zu Hause geteilt. Seitdem wünschen sie sich alle Jahre wieder die folgende Geschichte:
Donnerstag, 26.11.2009
Beim Aufräumen und Spülen heute morgen schneide ich mir heftig-deftig in
den Handrücken. Tut nicht weh, sieht aber uncool aus und ist ein bisschen lästig.
Als Globerotter von Format reise ich natürlich NIE ohne Tapes. Damit ist schon mal für einen gut atmenden Verband gesorgt, der auch das Gewebe
wieder gut zusammenbringt.
Da ich jetzt sowieso nichts „richtiges“ machen kann, ist heute
Shopping angesagt. Ich setze mich in den Bus und schaukele Richtung Orchard Road, wo
ich meinem Lieblings-Kaufhaus TANGS einen Besuch abstatten möchte.
herausgeputzte Orchard-Road
Shopping in Singapur ist sehr speziell. Man braucht starke
Nerven, weil man bei jedem Schritt von eifrigem Verkaufspersonal Hilfe und
Unterstützung beim Geld-Ausgeben angeboten bekommt. Im schlimmsten Fall weichen
sie einem auch nach einer dankenden Ablehnung nicht von der Seite. Man könnte
es sich ja schließlich anders überlegen?
Ich möchte mich nach einem neuen Koffer umsehen, weil an meinem
der Bügel zum Ziehen abgebrochen ist. Auf geht´s in die dritte Etage, wo ein
großes, buntes Angebot wartet. – Leider aber auch Heerscharen von gelangweilten
Verkäufern. In weniger als 5 Minuten werde ich von sechs der Herrschaften
angesprochen und verlasse die Abteilung fluchtartig wieder. Was will ich
eigentlich mit einem Koffer???
Jetzt versuche ich es mit den eher weiblichen Ressorts wie
Damenoberbeklei- dung, Kosmetik und Handtaschen, um nach Weihnachtsgeschenken zu
fahnden.
Hier scheine ich die richtige Taktik an den Tag zu legen, und das
Personal ist auch deutlich ausgelasteter. So kann ich unbehelligt schauen und
probieren und bei Bedarf professionelle Unterstützung anfordern.
Shopping in Singapur bedeutet, dass man am laufenden Meter mit
den unterschiedlichsten Werbeaktionen konfrontiert wird. Diese gelten nicht
immer unbedingt für das ganze Kaufhaus. Manchmal beziehen sie sich nur auf eine
dort verkaufte Marke oder auf eine Abteilung.
Hat man das System kapiert und
kommt einen Tag später wieder zum Einkaufen, gilt das alles nicht mehr, denn
heute gibt es wieder andere Aktionen.
Letzte Woche habe ich irgendeinen Haushalts-Nonsens gekauft und
wurde an der Kasse gefragt, ob ich eine Visa-Karte hätte. - Nein, leider
nicht.
Die Kassiererin schaute mich tieftraurig an und entschuldigte
sich nachhaltig bei mir. Ich erwartete schon, im nächsten Augenblick des Landes
verwiesen zu werden.
Die Wahrheit war aber noch entsetzlicher: Mit einer
Visa-Card hätte ich 15 Prozent auf meine Einkäufe bekommen!! - „I feel so sorry
for you, madam”.
Nachdem sie in Erfahrung gebracht hatte, dass ich als Touristin
hier sei, heiterte sich die Miene meiner empathischen Kassiererin sofort wieder
auf. Bei Vorlage meines Reisepasses würde mir das immerhin noch fette 10
Prozent Rabatt einbringen.
Fröhlich legte ich meinen Personalausweis vor, der aber nicht
akzeptiert wurde.
-Nein, leider nur Reisepässe. Sie könnten ja einen Wohnsitz in
Singapur haben.
-Ja, sicher, aber dann hätte ich doch immer noch einen Reisepass.
-Ach ja? Aber so sind die
Anweisungen, I am so sorry, madam.
Anstelle des Reisepasses würde sie sich aber auch mit meinem Hotelschlüssel zufrieden geben, kommt sie mir
nun entgegen.
Sowas habe ich schon gar nicht. Aber: ICH BIN JA EIN MEMBER!! Und
ziehe meine TANGS-Card heraus, die mir im vergangenen Jahr wegen meiner
besonderen Leistungen vom hauseigenen Power-Shopping-Komitee verliehen wurde.
-Member?! Schön. Aber zu traurig, darauf bekomme ich nur lumpige
sechs Prozent.
Also nee, da vergeht einem
ja der ganze Einkaufs-Spaß. Von 15 auf 6 Prozent, herb und ernüchternd. - An
dieser Stelle mischte sich eine andere Kundin in unser Gespräch. Also SIE hätte
einen Hotel-Schlüssel, und für die nächsten 2 Minuten könnte ich ihr Zimmer
gerne mit benutzen.
Sie reichte der Kassiererin ihren Scheckkarten-Schlüssel. Der
wurde dann an der Kasse eingelesen und Frau Offizier bekam 10 Prozent Nachlass.
Ich bedankte mich herzlich bei der netten Dame aus England und
machte mir Gedanken über Datenschutz. Keine Ahnung, welche Daten hier gelesen
werden konnten, im Idealfall wohl nur Hotel und Zimmernummer. Oder vielleicht
auch noch der Verzehr aus der Minibar und die gewählten TV-Kanäle? An- und
Abreisedatum; Flugnummer, Heimatadresse, Schuhgröße.….?????
Das war vorige Woche. Selbstverständlich bin ich heute gewappnet
und mit Pass unterwegs.
Während ich fröhlich durch das Kaufhaus ziehe und dies und das
und jenes finde, frage ich mich, wieso es ab Mittag schlagartig so brechend voll
wird.
Morgen ist ein Feiertag: Hari Raya Puasa. Die muslimischen
Singapurer feiern das Fastenbrechen nach dem Ramadan. Es wird so festlich
begangen wie unser Weihnachtsfest und ich denke, hier sind Last-Minute-Einkäufer
am Werk.
Beim Bezahlen merke ich dann: Weit gefehlt!
Mit coolem Lächeln knalle ich meinen Pass auf die Theke und geben
kund „I´m a tourist.“
-Oh, no member?
I am so sorry, madam!
Wie jetzt??? Ich verstehe
die Welt nicht mehr, beeile mich aber, meine Member-Card auch noch zu
präsentieren.
-Aaaaaaaah, MEMBER!
Ich werde mit einem strahlenden Lächeln bedacht. Heute ist
nämlich eine very, very special Promotion, um den werten Kunden des Hauses die
Weihnachtseinkäufe zu versüßen. Mit anderen Worten: 12 Prozent.
Ab 1.000,- S$ (Singapore-Dollar) Umsatz 20%, und ab 5.000,- S$ wird man Mitgesellschafter (vermutlich).
Dann wühlt sich die Kassiererin durch meine Einkäufe und beäugt
sie kritisch.
Neben all den vielen Geschenken für die Daheimgebliebenen habe
ich eine Hose erstanden. Die findet jetzt das Interesse meiner lieben Frau von
Tangs: Haben die in der Textilabteilung irgendwas dazu gesagt? Ist die
vielleicht reduziert oder wird sie gerade besonders beworben?
Ich weiß von nichts, und sie „quickly checks it out“.
Ein kurzer Anruf, und die Hose stellt sich als Teil einer
20-Prozent-Nachlass Aktion heraus.
Ich möchte nur noch bezahlen und raus hier. Gleichzeitig frage
ich mich, ob und wieviel Bargeld sie mir wohl noch in die Einkaufstüten stopfen
wird.
Ritsch, ratsch, alle Karten durchgezogen, ich raffe meine Tüten
zusammen und wende mich schon dem Ausgang zu, als die Kassiererin mich
anlächelt und darüber aufklärt, dass sich auf meiner Member Card ein Guthaben
von über 70,- S$ angesammelt hat, und wann ich das denn einlösen möchte!?
Ich falle fast in Ohnmacht. Warum habe ich Loriot nicht auf
diesen Trip mitgenommen?
Da ich keine weiteren
Ausflüge in die Singapurer Shopping-Welt vorhabe (glaube ich zumindest),
sollte ich dieses Geld ja nun am besten sofort ausgeben. Also, doch noch die
Tasche gekauft, bei der ich eben nicht sicher war, ob sie das geeignete
Geschenk sei. Auf den Differenzbetrag kriege ich wieder Prozente und weitere
10,- S$ Guthaben auf die Karte.
Ich fühle mich wie im Märchen vom Grießbrei, finde noch ein paar
Ohrringe für 9,- S$, bekomme dazu ein Armband mit passendem Ring aus
Süßwasserperlen und Onyx geschenkt, hinterfrage das nicht weiter, verlasse
fluchtartig das Kaufhaus und springe in den nächsten Bus nach Hause.
Verwundert schaut sie mir nach.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen