Donnerstag, 24. Dezember 2015

WEIHNACHTSSHOPPING IN SINGAPUR

Einige Jahre lang habe ich viel Zeit in Singapur verbracht. Die vielen und neuen Eindrücke dort habe ich in einem Tagebuch festgehalten und mit meiner Familie und den Freunden zu Hause geteilt. Seitdem wünschen sie sich alle Jahre wieder die folgende Geschichte:


Donnerstag, 26.11.2009

Beim Aufräumen und Spülen heute morgen schneide ich mir heftig-deftig in den Handrücken. Tut nicht weh, sieht aber uncool aus und ist ein bisschen lästig.
Als Globerotter von Format reise ich natürlich NIE ohne Tapes. Damit ist schon mal für einen gut atmenden Verband gesorgt, der auch das Gewebe wieder gut zusammenbringt.

Da ich jetzt sowieso nichts „richtiges“ machen kann, ist heute Shopping angesagt. Ich setze mich in den Bus und schaukele Richtung Orchard Road, wo ich meinem Lieblings-Kaufhaus TANGS einen Besuch abstatten möchte.


                            herausgeputzte Orchard-Road

Shopping in Singapur ist sehr speziell. Man braucht starke Nerven, weil man bei jedem Schritt von eifrigem Verkaufspersonal Hilfe und Unterstützung beim Geld-Ausgeben angeboten bekommt. Im schlimmsten Fall weichen sie einem auch nach einer dankenden Ablehnung nicht von der Seite. Man könnte es sich ja schließlich anders überlegen?

Ich möchte mich nach einem neuen Koffer umsehen, weil an meinem der Bügel zum Ziehen abgebrochen ist. Auf geht´s in die dritte Etage, wo ein großes, buntes Angebot wartet. – Leider aber auch Heerscharen von gelangweilten Verkäufern. In weniger als 5 Minuten werde ich von sechs der Herrschaften angesprochen und verlasse die Abteilung fluchtartig wieder. Was will ich eigentlich mit einem Koffer???

Jetzt versuche ich es mit den eher weiblichen Ressorts wie Damenoberbeklei- dung, Kosmetik und Handtaschen, um nach Weihnachtsgeschenken zu fahnden. 
Hier scheine ich die richtige Taktik an den Tag zu legen, und das Personal ist auch deutlich ausgelasteter. So kann ich unbehelligt schauen und probieren und bei Bedarf professionelle Unterstützung anfordern.

Shopping in Singapur bedeutet, dass man am laufenden Meter mit den unterschiedlichsten Werbeaktionen konfrontiert wird. Diese gelten nicht immer unbedingt für das ganze Kaufhaus. Manchmal beziehen sie sich nur auf eine dort verkaufte Marke oder auf eine Abteilung. 
Hat man das System kapiert und kommt einen Tag später wieder zum Einkaufen, gilt das alles nicht mehr, denn heute gibt es wieder andere Aktionen.

Letzte Woche habe ich irgendeinen Haushalts-Nonsens gekauft und wurde an der Kasse gefragt, ob ich eine Visa-Karte hätte. - Nein, leider nicht.
Die Kassiererin schaute mich tieftraurig an und entschuldigte sich nachhaltig bei mir. Ich erwartete schon, im nächsten Augenblick des Landes verwiesen zu werden. 
Die Wahrheit war aber noch entsetzlicher: Mit einer Visa-Card hätte ich 15 Prozent auf meine Einkäufe bekommen!! - „I feel so sorry for you, madam”.

Nachdem sie in Erfahrung gebracht hatte, dass ich als Touristin hier sei, heiterte sich die Miene meiner empathischen Kassiererin sofort wieder auf. Bei Vorlage meines Reisepasses würde mir das immerhin noch fette 10 Prozent Rabatt einbringen.
Fröhlich legte ich meinen Personalausweis vor, der aber nicht akzeptiert wurde.
-Nein, leider nur Reisepässe. Sie könnten ja einen Wohnsitz in Singapur haben.
-Ja, sicher, aber dann hätte ich doch immer noch einen Reisepass.
-Ach ja? Aber so sind die Anweisungen, I am so sorry, madam.

Anstelle des Reisepasses würde sie sich aber auch mit meinem Hotelschlüssel zufrieden geben, kommt sie mir nun entgegen.
Sowas habe ich schon gar nicht. Aber: ICH BIN JA EIN MEMBER!! Und ziehe meine TANGS-Card heraus, die mir im vergangenen Jahr wegen meiner besonderen Leistungen vom hauseigenen Power-Shopping-Komitee verliehen wurde.
-Member?! Schön. Aber zu traurig, darauf bekomme ich nur lumpige sechs Prozent.

Also nee, da vergeht einem ja der ganze Einkaufs-Spaß. Von 15 auf 6 Prozent, herb und ernüchternd. - An dieser Stelle mischte sich eine andere Kundin in unser Gespräch. Also SIE hätte einen Hotel-Schlüssel, und für die nächsten 2 Minuten könnte ich ihr Zimmer gerne mit benutzen.
Sie reichte der Kassiererin ihren Scheckkarten-Schlüssel. Der wurde dann an der Kasse eingelesen und Frau Offizier bekam 10 Prozent Nachlass.
Ich bedankte mich herzlich bei der netten Dame aus England und machte mir Gedanken über Datenschutz. Keine Ahnung, welche Daten hier gelesen werden konnten, im Idealfall wohl nur Hotel und Zimmernummer. Oder vielleicht auch noch der Verzehr aus der Minibar und die gewählten TV-Kanäle? An- und Abreisedatum; Flugnummer, Heimatadresse, Schuhgröße.….?????

Das war vorige Woche. Selbstverständlich bin ich heute gewappnet und mit Pass unterwegs.

Während ich fröhlich durch das Kaufhaus ziehe und dies und das und jenes finde, frage ich mich, wieso es ab Mittag schlagartig so brechend voll wird.
Morgen ist ein Feiertag: Hari Raya Puasa. Die muslimischen Singapurer feiern das Fastenbrechen nach dem Ramadan. Es wird so festlich begangen wie unser Weihnachtsfest und ich denke, hier sind Last-Minute-Einkäufer am Werk.
Beim Bezahlen merke ich dann: Weit gefehlt!

Mit coolem Lächeln knalle ich meinen Pass auf die Theke und geben kund „I´m a tourist.“
-Oh, no member? I am so sorry, madam!
Wie jetzt??? Ich verstehe die Welt nicht mehr, beeile mich aber, meine Member-Card auch noch zu präsentieren.
-Aaaaaaaah, MEMBER!

Ich werde mit einem strahlenden Lächeln bedacht. Heute ist nämlich eine very, very special Promotion, um den werten Kunden des Hauses die Weihnachtseinkäufe zu versüßen. Mit anderen Worten: 12 Prozent. 
Ab 1.000,- S$ (Singapore-Dollar) Umsatz 20%, und ab 5.000,- S$ wird man Mitgesellschafter (vermutlich).

Dann wühlt sich die Kassiererin durch meine Einkäufe und beäugt sie kritisch.
Neben all den vielen Geschenken für die Daheimgebliebenen habe ich eine Hose erstanden. Die findet jetzt das Interesse meiner lieben Frau von Tangs: Haben die in der Textilabteilung irgendwas dazu gesagt? Ist die vielleicht reduziert oder wird sie gerade besonders beworben?
Ich weiß von nichts, und sie „quickly checks it out“.

Ein kurzer Anruf, und die Hose stellt sich als Teil einer 20-Prozent-Nachlass Aktion heraus.
Ich möchte nur noch bezahlen und raus hier. Gleichzeitig frage ich mich, ob und wieviel Bargeld sie mir wohl noch in die Einkaufstüten stopfen wird.

Ritsch, ratsch, alle Karten durchgezogen, ich raffe meine Tüten zusammen und wende mich schon dem Ausgang zu, als die Kassiererin mich anlächelt und darüber aufklärt, dass sich auf meiner Member Card ein Guthaben von über 70,- S$ angesammelt hat, und wann ich das denn einlösen möchte!?
Ich falle fast in Ohnmacht. Warum habe ich Loriot nicht auf diesen Trip mitgenommen?

Da ich keine weiteren  Ausflüge in die Singapurer Shopping-Welt vorhabe (glaube ich zumindest), sollte ich dieses Geld ja nun am besten sofort ausgeben. Also, doch noch die Tasche gekauft, bei der ich eben nicht sicher war, ob sie das geeignete Geschenk sei. Auf den Differenzbetrag kriege ich wieder Prozente und weitere 10,- S$ Guthaben auf die Karte.

Ich fühle mich wie im Märchen vom Grießbrei, finde noch ein paar Ohrringe für 9,- S$, bekomme dazu ein Armband mit passendem Ring aus Süßwasserperlen und Onyx geschenkt, hinterfrage das nicht weiter, verlasse fluchtartig das Kaufhaus und springe in den nächsten Bus nach Hause.




                                  Verwundert schaut sie mir nach. 


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