Sonntag, 3. April 2016

Mal sehen, was passiert.

Geplant hatte ich es schon länger, und heute, am ersten wirklich frühlingshaften und sonnigen Samstag des Jahres, war es soweit:

Ich würde mir zwei verschiedene Schuhe anziehen und mal schauen, was passiert. – Falls etwas passieren würde. Gäbe es verstohlene Blicke? Offenes amüsiert-sein? Würde es überhaupt bemerkt werden?  - Ich ließ alle Gedanken und Erwartungen los und radelte mit guter Laune in den Samstagvormittag.

In der Stadt wollte ich einiges erledigen, stellte das Rad an einem zentralen Punkt ab und begann, ganz gemütlich meine Erledigungen abzuarbeiten. Danach bummelte ich ein bisschen, hielt hier und da ein Schwätzchen, catwalkte mehrmals demonstrativ mitten über den Brühler Marktplatz und traf dabei nacheinander meine Mutter, meine Oma und eine Freundin, mit denen ich jeweils ausgiebig erzählte.

Dann packte ich alle meine Einkäufe aufs Fahrrad und fuhr wieder nach Hause.

NIEMAND hatte offenbar meine unterschiedlichen Schuhe bemerkt. Mir waren keine aufmerksamen oder verstohlenen Blicke aufgefallen, kein verstecktes Grinsen, nichts.

Ich kam zu mehreren Schlussfolgerungen:

- Alle sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie bei anderen nicht so genau hinschauen.
  Wenn jemand zwei unterschiedliche Schuhe trägt, ist das völlig uninteressant.

- Aus falsch verstandener Höflichkeit hat niemand etwas gesagt.

- Ich wirke auch mit zwei verschiedenen Schuhen so selbstsicher, dass andere mich und meine
  persönliche Schuhmode erst gar nicht in Frage stellen.

- Hilflosigkeit des Gegenübers, mich auf die „richtige“ Art und Weise auf mein vermeintliches 
  Missgeschick anzusprechen. Etwa so, als wenn man jemandem elegant mitteilen will, dass sein Deo
  versagt hat und keine Ahnung hat, wie man dafür nun die passenden Worte finden soll.

Hm.

Auf jeden Fall war meine Neugier geweckt; ich wollte mehr darüber herausfinden.

Abends war ich auf ein Fest eingeladen und habe gleich die Gelegenheit genutzt, von meinem Schuh-Abenteuer zu erzählen. Ich fragte in die Runde: „Wie würdest Du auf jemanden mit zwei unterschiedlichen Schuhen reagieren?“

Die meisten waren sich nicht sicher, ob ihnen das überhaupt auffallen würde. Und wenn ja, hätten vier von sechs Leuten aus unserer Gesprächsrunde kein Wort darüber verloren. Einer hat dann eingeschränkt, vielleicht würde er etwas sagen, wenn er die andere Person gut kennen würde.

Eine Frau erzählte, dass sie einmal einen dicken Kulistrich im Gesicht hatte, ohne es zu wissen. Ihre Kollegin hatte das sofort bemerkt und den ganzen Tag nichts gesagt, weil sie das nicht schlimm fand. Bei sich selbst hätte es sie aber sehr gestört.

Das fand ich sehr bemerkenswert.

Am nächsten Tag, sonntags, war ich bei meinen Eltern und habe meiner Mutter das Foto vom Vortag mit den beiden verschiedenen Schuhen gezeigt. Sie konnte sich gut an unsere Begegnung am Samstag auf dem Markt und den gesamten Gesprächsinhalt erinnern. Aber meine Schuhe?? Nein, die waren ihr nicht aufgefallen.

Fazit: Insgesamt fand ich es spannend, zu beobachten. Und nun freuen mich der daraus entstehende Gedanken-Stoff und der Austausch!

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